Ostpolitik – Westpolitik?

Während in der internationalen Entspannungspolitik vom Ende der 1960er-Jahre an vor allem die Begrenzung der strategischen Rüstung im Mittelpunkt steht, geht es gerade im Verhältnis der Bundesrepublik zur Sowjetunion um die Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa. Im Rahmen der Neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt wird im August 1970 ein Vertrag mit Moskau geschlossen. Er setzt die beiden Eckpfeiler des Gewaltverzichts und der Anerkennung der bestehenden Grenzen. Daran schließen sowohl der Warschauer Vertrag als auch der Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik vom Dezember 1972 an.

Bundeskanzler Willy Brandt (links) und der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz bei der Vertragsunterzeichnung am 7. Dezember 1970 im Warschauer Palais des Ministerrats. Mitglieder beider Delegationen schauen ihnen über die Schulter, auch Władysław Gomułka, Parteichef der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei (Mitte, mit Brille). akg-images 

Nach mehreren Verhandlungsrunden und Vorgesprächen im Verlauf des Jahres reist Ende 1970 eine bundesdeutsche Delegation nach Warschau. Am 7. Dezember 1970 unterzeichnen Bundeskanzler Willy Brandt, der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz sowie die beiden Außenminister den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen.

Wie die Normalisierung sich ausgestalten wird, wird sich noch zeigen, aber der Vertrag ist definitiv der Anstoß zum künftigen »(sich) Vertragen«. Der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz, Bundeskanzler Willy Brandt, Staatssekretär im Auswärtigen Amt Georg Ferdinand Duckwitz, Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid, Egon Bahr, Staatssekretär im Kanzleramt (v. r. n. l.); rechts neben Schmid der Chefredakteur des Stern Henri Nannen. Bundesregierung / Engelbert Reineke 

Der sogenannte »Warschauer Vertrag« legt die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen inklusive der an Oder und Lausitzer Neiße verlaufenden Westgrenze Polens fest und schreibt Gewaltverzicht vor. Für die künftige Annäherung und die angestrebte Normalisierung der Beziehungen wird ein noch zu füllender Rahmen formuliert.

Artikel III:


(1) Die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen werden weitere Schritte zur vollen Normalisierung und umfassenden Entwicklung ihrer gegenseitigen Beziehungen unternehmen, deren feste Grundlage dieser Vertrag bildet.


(2) Sie stimmen darin überein, daß eine Erweiterung ihrer Zusammenarbeit im Bereich der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, wissenschaftlich-technischen, kulturellen und sonstigen Beziehungen in ihrem beiderseitigen Interesse liegt.

Auszug aus dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen vom 7. Dezember 1970
Für die Bundesrepublik unterzeichnen Bundeskanzler Willy Brandt und der Bundesminister des Auswärtigen Walter Scheel, für die Volksrepublik Polen Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz und Außenminister Stefan Jędrychowski den Warschauer Vertrag.
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1950–1970