Eine Grenze und drei Staaten

Ausgerechnet eine Grenze steht nach dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum der Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und den beiden deutschen Staaten: Im Mai 1969 erklärt der Parteichef der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei Władysław Gomułka, mit der Bundesregierung ein Abkommen über die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens schließen zu wollen. Nach Hinweisen auf eine geplante Neuausrichtung der Bonner Ostpolitik sieht er nun die Gelegenheit zur Normalisierung der Beziehungen.

»Auf ein Grenzprovisorium, wie es Bonn vorschlägt, wird sich Polen niemals einlassen. Für uns […] gibt es kein Grenzproblem, nur ein Problem des Friedens, das ganz Europa betrifft.«

Władysław Gomułka, Mai 1969
»Kennen Sie Deutschland?«, fragt ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Faltblatt unschuldig auf der großen Utrechter Frühjahrsmesse für Handel, Kultur und Tourismus 1960. Die polnische Delegation schäumt, zeigt die dazugehörige Karte doch Deutschland in den Grenzen von 1937. Diplomatische Querelen darum, ob das Material verteilt werden dürfe, beginnen sogleich – ein Spiel, das sich über viele Jahre so oder ähnlich wiederholt … Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 

Völkerrechtlich ist das Problem eng mit der Frage nach einer künftigen Wiedervereinigung Deutschlands und dem weiteren Aufbau einer europäischen Friedensordnung verknüpft. Die ehemaligen Westalliierten hoffen, Polen zu mehr Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu verhelfen. Die »wiedergewonnenen Gebiete« können in Polen umso besser geschichtspolitisch instrumentalisiert werden, je bedrohter sie erscheinen. In der Bundesrepublik besitzen die von Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen Ostgebieten Betroffenen nach wie vor großes Gewicht und die »Vertriebenenverbände« sorgen für politische Virulenz und eine Tabuisierung der Grenzfrage. Für die DDR-Bürger gilt wiederum das Tabu der »unantastbaren Friedens- und Freundschaftsgrenze« unter umgekehrten Vorzeichen.

»Freundschaft für immer an Oder und Neiße« verkündet das Plakat, mit dem die Einwohnenden von Frankfurt an der Oder polnische Delegierte begrüßen, die offizielle sozialistische Lesart. Anlass war die Grenzmarkierung der Oder-Neiße-Grenze Anfang 1951, denn mit der DDR hatte Polen bereits im Görlitzer Abkommen 1950 einen Vertrag über die Grenze geschlossen.
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1950–1970