
Deutschland und Polen in Europa
Deutschland und Polen erleben eine beispiellose Annäherung, immer wieder auch unterstrichen durch symbolische Gesten. 1994 spricht Bundespräsident Roman Herzog in Warschau zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstands und bittet um Vergebung: Seine Rede wird auch in Deutschland stark beachtet, wo der Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer 1944 bislang wenig bekannt war, anders als der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943. Polens Außenminister Władysław Bartoszewski spricht zum 50. Jahrestag des Kriegsendes im Bundestag über die in deutschem Namen in Polen begangenen Verbrechen, zeigt aber auch viele Wege, die beide Länder auf dem Weg in die Zukunft einen.

»Die gemeinsame Geschichte von Polen und Deutschen ist eine schwierige Geschichte. Wir müssen möglichst schnell jene Zeit aufholen, die durch Mißtrauen, Verachtung, Feindschaft und Krieg verlorengegangen ist. So verstehe ich den Sendungsauftrag des heutigen demokratischen Polen, seiner Regierung und meinen eigenen Auftrag gegenüber Deutschland.«
Außenminister Władysław Bartoszewski 1995 im deutschen Bundestag
Es ist ein Leitmotiv der bilateralen Beziehungen: Während die Geschichte beide Länder nicht loslässt, gestalten sie gleichzeitig die Zukunft. Deutschland unterstützt sowohl Polens Beitritt zur Nato (1999) als auch zur Europäischen Union. Die Aufnahme Polens in die europäische Staatengemeinschaft (2004) steht am Ende einer viele Jahre währenden »Rückkehr Polens nach Europa«, selbst wenn in Deutschland gelegentlich Widerstände zu überwinden sind. Nicht alle Vertriebenen können sich mit der Annäherung der beiden Staaten abfinden, obwohl die Beschäftigung mit dem gemeinsamen Kulturerbe in Schlesien, Pommern oder im ehemaligen Ostpreußen deutsche Vergangenheit und polnische Gegenwart eng verbindet. Und auch die Gewerkschaften fürchten zunächst die Öffnung des bundesdeutschen Arbeitsmarktes.

Doch die Befürchtungen bewahrheiten sich nicht – auch wirtschaftlich ist die deutsch-polnische Nachbarschaft ein Erfolgsmodell, mit großen deutschen Investitionen in Polen, aber auch großen polnischen Exporterfolgen in Deutschland. Der Beitritt Polens zum Schengen-Raum 2007 und der ungehemmte Personen- und Warenverkehr sind heute schon zur Selbstverständlichkeit geworden.