
Das Wort der Stunde: Solidarität
Der Schock kommt am 13. Dezember 1981: Die kommunistische Führung Polens verhängt das Kriegsrecht, schlägt die Proteste gewaltsam nieder und verbietet die »Solidarność«. Getrieben durch die sich zuspitzende Wirtschaftslage und die Ungeduld des »großen Bruders« im Osten stürzt der neue Parteichef General Wojciech Jaruzelski sein Land in eine Depression. Doch in der Bundesrepublik – und auch in der DDR – machen hunderttausende Bürgerinnen mobil: »Solidarität mit Solidarność« lautet das Motto. Alleine 1982 senden Westdeutsche knapp 4 Millionen Pakete nach Polen, Hilfsorganisationen schicken Versorgungstransporte. Das sorgt in Polen für Überraschung, schließlich stammt die Hilfe aus jenem Land, das ein knappes halbes Jahrhundert zuvor Polen vernichten wollte. Die authentische Sympathie der Deutschen für die standhaften Polinnen und deren Dankbarkeit für die Solidarität lösen viele emotionale Sperren, die zwischen beiden Gesellschaften bestehen.


»Abgesehen davon, daß wir die Polen, die uns ein Fünftel unseres Landes abgenommen haben, mögen und fast lieben: Ihr irgendwo doch unverdientes Schicksal, an dem Hitler-Deutschland erstrangig beteiligt war, kann uns auch aus Eigennutz nicht gleichgültig lassen. […] ein unruhiges Polen […] bedeutet immer auch Kriegsgefahr für Europa, sogar noch in der Zeit des Atoms.«
Der Kommentar des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein vom 21.12.1981 spiegelt die ambivalenten Meinungen in Deutschland zur Verhängung des Kriegsrechts in Polen wider

Unter der neuen Regierung Helmut Kohl bemüht sich die Bundesrepublik um eine Neubewertung des Verhältnisses zu Polen. Da jedoch Bonn gleichzeitig auch besseren Kontakt mit Ost-Berlin sucht, ist die polnische Regierung misstrauisch. Doch sie macht die Rechnung ohne ihre Bevölkerung: Schon lange hatte sich Westdeutschland steigender Wertschätzung erfreut, nicht zuletzt aufgrund seines wirtschaftlichen Erfolgs. Nun folgt die zivilgesellschaftliche Verflechtung, etwa durch Städtepartnerschaften: Nach ersten Verschwisterungen in den 1970er-Jahren folgt seit 1985 eine ganze Welle: Wiesbaden tut sich mit Breslau (Wrocław) zusammen, Kiel mit Gdingen (Gdynia), Darmstadt mit Płock – Elemente einer bilateralen Zusammenarbeit, die Freundschaften für Jahrzehnte schmieden sollte.