Vom Vertrag
zum Vertragen

Das Deutsche Polen-Institut und die deutsch-polnischen Beziehungen

50 und 40: Zwei runde Jahreszahlen, zwei Daten des Neuanfangs in den Beziehungen zwischen Polen und Deutschland.

Vor 50 Jahren: Als Bundeskanzler Willy Brandt an einem grauen Dezembertag des Jahres 1970 nach Warschau reist, beginnt eine neue Zeit. Symbolisch durch seinen Kniefall vor dem Denkmal für die Helden des Ghettos, eine Geste der Sühne und der Anerkennung polnischen Leids im Zweiten Weltkrieg. Und faktisch durch die Unterzeichnung des Warschauer Vertrags, mit dem die Volksrepublik Polen und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen aufnehmen.

Es folgen Jahre der vorsichtigen Annäherung, des beginnenden Brückenbaus zwischen zwei Staaten, die sich seit dem Krieg nur wenig kennengelernt hatten: Die Gesellschaften lernen sich zu vertragen.

Vor 40 Jahren: Als Karl Dedecius im Jahre 1980 die Tür zum Haus Olbrich öffnet, einer Jugendstilvilla auf der Darmstädter Mathildenhöhe, um sein neues Reich in Besitz zu nehmen, das Deutsche Polen-Institut, beginnt eine neue Zeit. Zum ersten Mal beweist ein deutscher Staat durch die auf Dauer angelegte Gründung eines Instituts, dass es ihm mit der Annäherung, der möglichen Verständigung mit Polen ernst ist.

Die Vermittlungsarbeit, die Dedecius und sein Team seit 1980 leisten, hat einen gleichermaßen symbolischen wie faktischen Wert und bringt beide Staaten, beide Nationen, beide Gesellschaften langsam, Schritt um Schritt einander näher.

In unserer Ausstellung zeichnen wir die beiden Zeitspannen nach – 50 Jahre seit Kniefall und Verträgen, 40 Jahre seit der Gründung des DPI. Ein halbes Jahrhundert für den deutsch-polnischen Dialog. Sozusagen »vom Vertrag zum Vertragen«. Wir vom Deutschen Polen-Institut sind stolz, Teil einer großen Geschichte zu sein, die noch längst nicht zu Ende ist: Denn Polen ist uns Deutschen nah, näher wohl als je zuvor, und trotzdem ist es noch immer ein wenig fremd geblieben.

1950–1970

Eine Grenze und drei Staaten

Ausgerechnet eine Grenze steht nach dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum der Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und den beiden deutschen Staaten …

Ostpolitik – Westpolitik?

Im Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 wird ein noch zu füllender Rahmen für die künftige Annäherung und die angestrebte Normalisierung der Beziehungen formuliert.

Internationale Verständigung mit ­starken Bildern

»Für ein Volk von 35 Millionen Menschen, dessen Sprache in der Welt wenig verstanden wird, ist der Film ein wichtiges Mittel der Kommunikation mit anderen Völkern, der Information, wer und wie wir überhaupt sind.«

Er kniet – darf er das?

Die Demutsgeste wird 1970 zwar weder im Innern noch im Ausland durchgehend positiv aufgenommen, aber die ihr zugeschriebene Bedeutung wird im Nachhinein stets in Superlativen formuliert werden.

Eine »polnische Welle« mit Kraft

Polnische Plakate und abstrakte Kunstwerke aus Polen jenseits ideologischer Stereotype wie die Monotypien von Maria Jarema und die Skulpturen von Alina Szapocznikow faszinieren das bundesdeutsche Publikum.

1970–1980

Erste Schritte aufeinander zu

Die einen wittern Verrat und »Ausverkauf deutscher Interessen«, für die anderen ist die Zeit überreif für normale Beziehungen: Der Warschauer Vertrag ist äußerst umstritten.

Absurdes Theater und gesungene Poesie

Während absurdes Theater die internationalen Spielstätten erobert, wird auf den Musikbühnen von BRD und DDR ein neues Genre von polnischen Kunstschaffenden populär gemacht: gesungene Poesie.

Zwei Deutschlands und ein Nachbar

Anfang der 1970er Jahre spielt die Kultur in den offiziellen Beziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen zwar keine zentrale Rolle, aber nun rollt auch in Ostdeutschland die »polnische Welle« an.

Musikalische Botschaften aus Polen

1974 veröffentlicht die DDR-Plattenfirma Amiga eine LP von Maryla Rodowicz – im gleichen Jahr singt Rodowicz als Vertreterin Polens bei der Eröffnung der Fußball-WM im Frankfurter Waldstadion.

Brücken bauen – Wissen vertiefen

Am 1. März 1980 öffnet schließlich das Deutsche Polen-Institut. Das Haus Olbrich, eine Jugendstilvilla auf der Darmstädter Mathildenhöhe, wird zum Domizil des Instituts.

1980–1989/90

Das Wort der Stunde: Solidarität

In der Bundesrepublik – und auch in der DDR – machen hunderttausende Bürgerinnen mobil: »Solidarität mit Solidarność« lautet das Motto.

Wanderungen in ein fremdes Land

Migration prägt deutsch-polnische Nachbarschaft seit langem. Nach den Zwangsarbeiter*innen des Kriegs und den Vertriebenen kommen seit 1956 die deutschstämmigen Aussiedlerinnen in mehreren Wellen.

1989/90–2010

Neue Symbole für die Nachbarschaft

Beziehungen brauchen hin und wieder Symbole. Das ist bei der deutsch-polnischen Nachbarschaft nicht anders. Nach Willy Brandts Kniefall von 1970 wird es dazu wieder Zeit …

Vertragen mit Verträgen

Es sind die Monate der Verträge: Zwischen September 1990 und Juni 1991 entsteht ein ganz neues vertragliches Geflecht, in dem Deutschland und Polen ihre Beziehungen neu regeln.

Neue Impulse für den politischen Dialog

Nach Beendigung der großen Literaturprojekte kann sich das Institut mehr und mehr wissenschaftlichen Projekten, Politikbegleitung, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit widmen.

Deutschland und Polen in Europa

In den 1990er-Jahren erleben Deutschland und Polen eine beispiellose Annäherung, immer wieder auch unterstrichen durch symbolische Gesten.

2010–2020

Kultur – Fenster zum Nachbarn

Kultur verbindet, denn Bilder vom Nachbarn ändern sich meist nur in direkter Auseinandersetzung, und die Konfrontation mit künstlerischen Erzeugnissen reißt Fenster auf in unbekannte Räume.

Neugier wecken mit polnischer Kultur

Von Anfang an ist das Deutsche Polen-Institut seinem Publikum verpflichtet – in Darmstadt, Berlin und anderswo. Angefangen hat es mit intimen Poesielesungen im Kaminzimmer des Hauses Olbrich …

Keine Zukunft ohne Vergangenheit

Nach Jahren einer weitgehend harmonischen politischen Nachbarschaft zieht ein neuer Ton in die Beziehungen ein. Polens neuer Weg, seine Interessen in Europa zu vertreten, führt zu hitzigen Debatten.

Vertragt Euch – immer weiter!

Um Beziehungen vom Papier ins echte Leben zu hieven, bedarf es des Engagements und der Arbeit zahlreicher Institutionen der Zivilgesellschaft.